EIBF Manifest

EIN AUFRUF ZUM HANDELN

Meinungsfreiheit schützen und für eine nachhaltige Zukunft einstehen

Einleitung

Die Buchbranche entwickelt sich weiter.

Flexibilität und Anpassung sind nötig, wenn wir mit einer schnelllebigen Welt Schritt halten wollen.
Im Post-Corona-Zeitalter konnten Buchhandlungen ihre Resilienz und ihre Relevanz unter Beweis stellen, und ihre Kund*innen sind ihnen treu geblieben. Viele Buchhandlungen haben bereits in digitale Technologien und die Green Economy investiert und wollen zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen.

Doch sie stehen noch immer vor Herausforderungen. Die Umweltauswirkungen der Buchproduktion werden inzwischen ebenso breit diskutiert wie jene von Waren wie Nahrung und Kleidung. Zudem erleben wir seit einiger Zeit eine Zunahme von extremer Politik und Zensur – eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Gleichzeitig sinkt die Alphabetisierungsrate, und immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine Karriere in der Buchbranche.

Bücher berühren unsere Gesellschaften und Communities auf allen Ebenen, vom Bildungsbereich über Beschäftigungschancen bis hin zur Politik. Wir meinen, dass Buchhandlungen einen sicheren und inklusiven Hafen für alle Menschen darstellen sollten. Sie leisten einen entscheidenden Beitrag zur Diversität, denn durch die Bücher in ihren Regalen vermitteln sie den Leser*innen vielfältige Stimmen. Buchhandlungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Zusammenlebens auf lokaler Ebene und eine wichtige Alternative zu den Tech-Giganten.

Deshalb möchte die European and International Booksellers Federation (EIBF) den Kontakt zu politischen Entscheidungsträger*innen und Regulierungsbehörden suchen, um zu gewährleisten, dass jeder Mensch Zugang zu Büchern hat und dass in Anbetracht der Veränderungen, die die Welt derzeit durchläuft, niemand den Anschluss verpasst.

EINSTEHEN FÜR DAS, WAS WIRKLICH ZÄHLT

Einstehen für die Meinungsfreiheit

Es ist kein Zufall, dass Bücher in Zeiten von politischer Unterdrückung und Umbrüchen schon immer Verboten und Restriktionen unterlagen und Autor*innen, Verleger*innen und Buchhändler*innen zum Schweigen gebracht oder zum Ziel von Zensur oder sogar Angriffen wurden. Die derzeitige Zunahme extremistischer Ideologien in weiten Teilen Europas und der ganzen Welt geht mit einer entsprechenden Zunahme der Buchzensur einher.

Wir von der EIBF und unsere Gemeinschaft an Buchhändler*innen halten die Meinungsfreiheit für ein fundamentales Menschenrecht und einen Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie. Wir wissen, dass Bücher nicht nur Spaß machen, sondern auch den Wissensaustausch begünstigen, zur Entwicklung neuer Ideen führen und kritisches Denken fördern. Deshalb ist Meinungsfreiheit unerlässlich. Wir von der EIBF setzen uns dafür ein, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und über dieses wichtige Thema zu informieren. Doch auch Buchhändler*innen spielen eine wesentliche Rolle beim Schutz dieser Freiheit, und ihnen darf, ebenso wie Verleger*innen, Autor*innen und Bibliothekar*innen, keine Strafe drohen, wenn sie sich für das einsetzen, was wirklich zählt.

WAS WIR FORDERN
Die Freiheit des Wortes, des Verlegens und der Verbreitung von Ideen, Büchern und Kulturgütern muss gewahrt werden. Zudem müssen wir entschieden gegen jede Form von Zensur eintreten.

Einstehen für Alphabetisierung

Das Lesen hat viele Vorzüge – nicht nur für einzelne Leser*innen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Zum einen sind Bücher natürlich eine Wissens- und Bildungsquelle, zum anderen fördern sie aber auch Empathie und Verständnis für andere Menschen. Eine alphabetisierte Bevölkerung spielt in der Gesellschaft eine aktivere Rolle.

Die Lesekompetenz und die Alphabetisierungsrate gehen jedoch weltweit zurück, auch in Europa. Es ist bekannt, dass geringe Lesefähigkeiten von Kindern mit schlechteren Bildungsabschlüssen einhergehen. Doch geringe Lesefähigkeiten erschweren auch die Teilhabe an der Gesellschaft. Diesem Trend müssen wir also unbedingt gemeinsam entgegenwirken.

Buchhandlungen und Bibliotheken streben dieselben Ziele an: Alphabetisierung, Leseförderung und Zugang zu Büchern. Beide Institutionen arbeiten schon immer zusammen, um Menschen zum Lesen zu motivieren. Denn die Stärkung einer alphabetisierten Bevölkerung bedeutet auch eine gut gebildete, aktive und verständnisvolle Gemeinschaft.

WAS WIR FORDERN
Für eine gut informierte, demokratische Teilhabe an der Gesellschaft müssen Leseförderprogramme unterstützt werden.

LASSEN WIR UNS AUF NEUES EIN

Digitale Technologien auf den Weg bringen

Die Digitalisierung hat sämtliche Aspekte unseres Alltags durchdrungen. Und darin sollten wir eine Chance sehen. Digital und analog schließen einander nicht aus, sondern sind gleichermaßen notwendig und ergänzen einander hervorragend. Covid hat den stationären Einzelhandel, so auch den Buchhandel, dazu angetrieben, in E-Commerce-Technologien, Social Media, hybride Veranstaltungen und mehr zu investieren. Viele Buchhändler*innen haben bereits begriffen, dass ein Gleichgewicht zwischen Online und Offline die Grundlage eines profitablen Geschäftsmodells ist.

Allerdings entwickelt sich die Technologie zunehmend schneller: Die jüngsten Fortschritte im Bereich künstlicher Intelligenz, Buch-Influencer*innen bei TikTok und die Online-Leseplattform Wattpad sind dafür nur einige Beispiele. Buchhändler*innen wollen mit der digitalen Zeit gehen, brauchen dafür aber die richtigen Werkzeuge, damit keine*r von ihnen den Anschluss verpasst.

Zudem brauchen sie die gleichen Ausgangsbedingungen, damit ein gerechter Wettbewerb gewährleistet ist: Bereits bestehende Gesetze müssen konsequent durchgesetzt werden, während neue Regulierungen gerecht und ausgeglichen sein und dabei die Interessen kleiner Betriebe wahren müssen. Hinzu kommt, dass Daten zu einer heiß begehrten Ware geworden sind: Daten zu besitzen, darauf zugreifen und sie verstehen zu können, ist ein wesentlicher Faktor, wenn man den Ansprüchen der Leser*innen gerecht werden und, auch hier, unter den gleichen Ausgangsbedingungen agieren will.

WAS WIR FORDERN
Eine progressive, innovative und ausgewogene Digitalgesetzgebung muss die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen schützen.

Orientierung in Richtung Green Economy

In den letzten Jahren hat sich der allgemeine Fokus auf Nachhaltigkeit mit Riesenschritten fortgesetzt. Wir alle spielen dabei eine Rolle – auch die Buchbranche. Viele Buchhändler*innen haben mit ihrer Umstellung auf die Green Economy bereits begonnen. Einige jedoch wissen nicht recht, wo sie anfangen sollen.

Die Wertschöpfungskette der Buchbranche ist ein Ökosystem mit vielen Verbindungen – von Verlagswesen und Druck bis hin zu Vertrieb und Verkauf. Für das gemeinsame Ziel eines nachhaltigeren Prozesses müssen alle Räder ineinandergreifen. Daher brauchen Buchhändler*innen Unterstützung und Anleitung, wenn sie Umweltziele erreichen, auf grüne Energie umstellen und den ökologischen Fußabdruck ihrer Unternehmen reduzieren wollen.

WAS WIR FORDERN
Gesetze und Initiativen  zum Umwelt- bzw- Klimaschutz müssen Buchhändler*innen bei ihrer Umstellung auf mehr Nachhaltigkeit stärken und unterstützen.

EXISTENZFÄHIGKEIT LANGFRISTIG GEWÄHRLEISTEN

Die Freiheit kleiner Unternehmen aufrechterhalten

Buchhandlungen verspüren Druck von allen Seiten. Bestehende Gesetze, die dem Buchsektor helfen, heißen wir zwar gut, doch weitere Gesetze, die in den kommenden Jahren gegebenenfalls zusätzliche Belastungen für Buchhändler*innen mit sich bringen, sollten sorgfältig geprüft werden, damit diese ohnehin schon schwache Branche keine Nachteile erleidet. Regulierungen, die die Vertragsfreiheit, die Investitionsentscheidungen, die Betriebsabläufe oder die Finanzkraft von Buchhandlungen beeinflussen, sollten nicht überstürzt beschlossen werden. Wenn solcherlei Regulierungen nicht gründlich durchdacht werden, besteht die Gefahr, dass viele Buchhändler*innen ihr Geschäft durch zusätzliche Einschränkungen aufgeben müssen.

Zusätzlicher Verwaltungsaufwand und weitere bürokratische Hürden für kleine und mittelständische Unternehmen führen zwangsläufig dazu, dass große Online-Anbieter*innen über ein Marktmonopol verfügen und den fairen Wettbewerb zunichtemachen. Wir wissen, dass es sich bei vielen Buchhandlungen um kleine, lokale Unternehmen handelt, die investieren und sich weiterentwickeln müssen, um die Nachfrage auf einem sich schnell verändernden Markt zu bedienen. Und wir meinen, dass lokale Händler*innen die Freiheit haben sollten, eigene Entscheidungen darüber zu treffen, ob und wann sie ihre Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung stellen.

WAS WIR FORDERN
Die Freiheit der Buchhändler*innen, ihre eigenen sachkundigen Entscheidungen zu treffen, muss gewährleistet sein, und somit auch die Existenzfähigkeit ihrer Unternehmen im Sinne der Leser*innen – sowohl jetzt als auch in Zukunft.

Den Buchhandel als Karriereweg aufrechterhalten

In jüngerer Zeit haben stationäre Unternehmen aller Couleur die Lebenshaltungskostenkrise und die angestiegene Inflation zu spüren bekommen, auch Buchhandlungen. Viele Buchhändler*innen berichten, dass sie ihren Angestellten kaum noch anständige Löhne zahlen können und dass begabte Mitarbeiter*innen kündigen, um lukrativere Karrierewege einzuschlagen. Fixkosten sind in gewaltigem Maße angestiegen, und aufgrund steigender Preise werden weniger Bücher gekauft. Kurzum: Der Buchhandel ist ein hartes Geschäft.

Wir wollen dafür sorgen, dass sich der Buchhandel für die nächste Generation als erstrebenswerte, existenzsichernde Langzeitkarriere darstellt. Buchhändler*innen brauchen eine starke Kulturpolitik, die Bücher, Lesen und Alphabetisierung fördert. Deshalb streben wir spezifische Ausbildungsmöglichkeiten für Buchhändler*innen sowie Programme an, die sich für Bildung und den Zugang zu Büchern und Literaturveranstaltungen einsetzen. Außerdem fordern wir eine Politik, die den Ankauf von Büchern auf lokaler Ebene unterstützt – etwa durch eine öffentliche Auftragsvergabe, die es Schulen und Bibliotheken ermöglicht, ihre Bücher über den lokalen Buchhandel zu beziehen. Zusammengefasst brauchen wir mehr Leser*innen, die Bücher kaufen, damit Buchhandlungen höhere Umsätze verzeichnen und somit bessere Löhne zahlen können.

WAS WIR FORDERN
Die Politik und andere Initiativen sollten sowohl den traditionellen stationären Buchhandel als auch eine neue Generation von Buchhändler*innen und Leser*innen berücksichtigen, unterstützen und in sie investieren.

Fazit

Buchhandlungen sind äußerst wichtige lokale Unternehmen. Anders als die Tech-Giganten, mit denen sie konkurrieren, sind Buchhandlungen ein fester Bestandteil unserer Einkaufsstraßen: Sie investieren auf lokaler Ebene in ihre Mitarbeiter*innen und in Communities und leisten einen unverzichtbaren Dienst für die Gesellschaft. Buchhandlungen dienen als Kulturzentren und einladende Räume, die Anwohner*innen einen Treffpunkt zur Verfügung stellen sowie Diversität und Inklusion in ihren Wohnvierteln begünstigen.

Ganz ohne staatliche Zuschüsse fördern Buchhandlungen das Lesen, die Alphabetisierung und die Bildung und tragen damit Tag für Tag ihren Teil zu einer Wissensgesellschaft bei. Bei Buchhandlungen geht es um so viel mehr als um den reinen Buchverkauf: Sie sind ein wesentlicher Bestandteil unserer sich stetig verändernden Welt. Und sie werden auch weiterhin zu dieser Welt beitragen – solange sie die nötige Unterstützung erhalten.